Castrop-Rauxel: Terrorverdächtiger gab an Christ zu sein – und erhielt deshalb Asyl

Festnahme in Castrop-Rauxel: Giftstoffe wurden nicht gefunden, den Angaben zufolge hat sich der Verdacht trotzdem erhärtet. (Quelle: WTVnews/dpa)SchlagzeilenAlleStadt in NRW warnt vor ÜberflutungenLottokönig wohl von Kriminellen gehacktStolpert NRW-Chef über einfachen Satz?Lotto-Millionär spendet an Waisenhaus"Keine Bildung": Chico lässt Jauch sprechenPolizei sucht Besitzer gestohlener SchätzeLindner-Spott über Lotto-Millionär ChicoHund misshandelt und Polizisten geschlagenUnfall mit vier Autos: Fahrer eingeklemmtVerdächtige erwarteten Rizin-LieferungAlle Schlagzeilen anzeigenMehr anzeigen

Zwei Brüder aus dem Iran sollen einen islamistischen Anschlag mit hochgiftigen Stoffen geplant haben. Der ältere hatte Aufenthaltsrecht, weil er angeblich zum Christentum konvertiert war.

Die mutmaßlichen Anschlagspläne zweier iranischer Terrorverdächtiger geben Ermittlungsbehörden weiter Rätsel auf: Die in Castrop-Rauxel verhafteten Brüder sollen islamistischen Terror mit hochgiftigen Stoffen geplant haben. Doch ihr Lebenslauf ist widersprüchlich.

Wie aus Gerichtsunterlagen hervorgeht, die t-online vorliegen, erhielt der 32 Jahre alte Monir J. in Deutschland Asyl, weil er angab, zum Christentum konvertiert zu sein. Sein 25-jähriger Bruder Jalal J. kämpft hingegen offenkundig seit Jahren mit Alkoholismus, psychischen Problemen und einem Hang zu Gewalt gegen sich und andere. Er war in Deutschland geduldet.

Bruder bemalte Häuserwände mit Parolen

Beide Brüder zählen zur arabischstämmigen Minderheit im Mullah-Staat Iran. Aus den Unterlagen geht hervor, dass sich der jüngere Bruder von der persischstämmigen Mehrheit unterdrückt und ungleich behandelt gefühlt habe, weswegen er Häuserwände mit Parolen bemalt habe. Als 14-Jähriger wurde er deswegen festgenommen und ausgepeitscht, wovon er bleibende Narben am Rücken davontrug. Danach soll er seine politischen Aktivitäten fortgesetzt haben.

Großaufgebot der Polizei in Castrop-Rauxel: Der jüngere Bruder Jalal J. wurde in der Nacht auf Sonntag leicht bekleidet abgeführt. (Quelle: Karsten Wickern/dpa)

Seine Familie beschloss demnach schließlich im Zuge der großen Fluchtbewegungen 2015, den damals 18-Jährigen außer Landes zu schaffen. Ein wohlhabender Onkel finanzierte ihm wohl die Flucht über die Balkanroute, über die er schließlich Deutschland erreichte. Dort war wenige Tage zuvor bereits sein älterer Bruder angekommen, der angab, zum Christentum konvertiert zu sein. Wie eng der Kontakt zwischen den beiden tatsächlich war, geht aus den Unterlagen nicht hervor.

Abstieg in Alkoholismus und Gewalt

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Der Jüngere ist in Deutschland während Jahren offenbar sozial verwahrlost und mit zielloser Gewalt auffällig geworden. Mehrfach wurde er an unterschiedlichen Orten "aufgrund seines Alkoholkonsums und damit einhergehender Aggressivität und Suizidalität" in psychiatrische Kliniken aufgenommen, nach wenigen Tagen aber wieder entlassen. Er weist aus dieser Zeit an Armen und Schultern Narben tiefer Schnittverletzungen auf, die er sich betrunken wohl selbst zugefügt hat.

Immer wieder in Konflikt mit der Polizei

Bei seinen Trinkereien geriet er immer wieder in Konflikt mit Polizei und Sicherheitskräften. Schon ein halbes Jahr nach seiner Ankunft, im März 2016, randalierte er in einer Flüchtlingsunterkunft. Wenige Monate später griff er dort Mitbewohner an. Wiederum einige Monate später nahmen ihn Polizeibeamte bei ähnlichen Vorkommnissen mit 1,68 Promille in Gewahrsam. Dort entkleidete er sich und versuchte, seine Decke zu essen.

Die Gerichtsunterlagen listen zahlreiche solcher Vorfälle auf. Einmal griff er Anfang 2017 Rettungskräfte an und schlug seinen Kopf immer wieder auf den Boden. Er werde sich selbst und alle anderen umbringen. Er sei ein Terrorist, erklärte er. Ein halbes Jahr später legte er sich mit Bahnmitarbeitern und Polizei an, nahm anschließend den Innenraum des Streifenwagens auseinander. Das Gleiche vier Wochen später, wiederum mit 2,39 Promille Alkohol im Blut.

Gegenstände auf A45 geschmissen: Sieben Jahre Haft

Monat für Monat seit Oktober 2017 dieselben Vorkommnisse: Trunkenheit, Randale, Gewahrsam. Im Juni 2018 kostete sein Verhalten eine Autofahrerin beinahe das Leben. Damals nahm er betrunken einen Ast und warf ihn spontan von einer Brücke auf die A45, wo dieser den Mazda einer jungen Frau traf. Das Landgericht Dortmund verurteilte ihn dafür wegen versuchten Mordes zu sieben Jahren Haft und stellte fest, "dass der Angeklagte keinen geregelten familiären Bezug aufweisen kann, auch wenn sein Bruder ebenfalls in [Castrop-Rauxel] lebt". Nach anderthalb Jahren kam er zum Entzug in den Maßregelvollzug, den er zuletzt aber offenbar regelmäßig verlassen durfte, um bei seinem älteren Bruder zu übernachten

Der demolierte Mazda einer jungen Frau: Jalal J. war bereits 2018 wegen versuchten Mordes zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. (Quelle: Polizei Dortmund)

Beschuldigte sitzen seit Montag in U-Haft

Nach Beantragung der Generalstaatsanwartschaft Düsseldorf hat das Amtsgericht Dortmund am Montag jetzt Haftbefehl gegen beide Brüder erlassen, die nun in U-Haft sitzen. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, dass sie sich Giftstoffe – wie Cyanid und Rizin – für einen islamistisch motivierten Anschlag besorgen wollten.

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Die deutschen Ermittler waren wegen eines Tipps von Kollegen aus den USA aktiv geworden: Es habe einen Hinweis von einer US-amerikanischen Sicherheitsbehörde gegeben, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf, Holger Heming, am Sonntag.

Laut Informationen der "Bild"-Zeitung informierte das FBI die deutschen Behörden darüber, dass sich der Festgenommene im Internet für Rizin und Cyanid interessiert habe. Der Tipp soll bereits an Weihnachten eingegangen sein, nachdem die Behörde Telegram-Gruppen infiltriert haben soll. Der Verdächtige habe demnach angeblich bereits Silvester einen Anschlag begehen wollen, doch fehlten ihm offenbar die Substanzen dafür. Das habe sich laut FBI nun geändert, insofern habe Dringlichkeit des Zugriffs bestanden, berichtet "Bild".

Bei der Durchsuchung der Wohnung des 32-Jährigen sowie einer Garage in Castrop-Rauxel wurden der Staatsanwaltschaft zufolge allerdings keine entsprechenden Giftstoffe gefunden. Ermittler hätten jedoch Speichermedien beschlagnahmt. Diese müssten nun ausgewertet werden, sagte Oberstaatsanwalt Heming.

Zur Frage, ob die Tatverdächtigen tatsächlich an Gift gekommen waren und dieses womöglich an einem anderen Ort lagerte, geben die Ermittler derzeit keine Auskunft. Auch wie konkret die möglichen Anschlagspläne bereits ausgearbeitet waren und worin ein mögliches Ziel hätte bestehen können, ist weiter unklar. Das sei nun Gegenstand der Ermittlungen, sagte Heming in Düsseldorf.

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Roberto

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